Aktionswoche der Schuldnerberatung
„Seit Beginn der Corona-Pandemie steigt die Anzahl der überschuldeten Menschen und Unternehmen. Die Schuldnerberatungsstellen müssen dem Bedarf angepasst werden“, fordert Schuldnerberater Dirk Beyer.
Darauf weißt auch die bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 7. bis 11. Juni 2021 hin. Diese steht unter dem Motto „Der Mensch hinter den Schulden“. Denn Verschuldung sei nicht nur ein finanzielles Problem, sondern ein menschliches. „So haben wir bei der Schuldnerberatung stets den gesamten Menschen in seinem sozialen Umfeld im Blick“, sagt Dirk Beyer.
Herr Konrad* war über 25 Jahre lang selbstständig, hatte bis zu 150 Beschäftigte. Als Unternehmer agierte er deutschlandweit. Nach der Firmenpleite 2017 folgt nun 2021 die Privatinsolvenz. Inzwischen arbeitet der 54-Jährige als Angestellter auf Mindestlohnniveau. „Verschuldung ist immer auch eine menschliche Katastrophe“, weiß Schuldnerberater Dirk Beyer.
„Ich musste mich herunterfahren“, gibt Herr Konrad ehrlich zu und meint damit seinen Lebensstandard sowie sein Arbeitspensum. Bis 2017 erwirtschaftete seine Firma jährlich über 500.000 Euro Umsatz. Um seine Familie und den privaten Hausbau zu schützen, wechselte er die Unternehmensform und gründete eine GmbH. Das Finanzamt zwang ihn jedoch zur so genannten Sollversteuerung. Die Konsequenz: Wenn er Rechnungen stellte, musste er die darin aufgeführte Mehrwertsteuer sofort ans Finanzamt zahlen, auch wenn seine Kunden die Rechnungen erst Monate später beglichen. Mit Kontokorrentkrediten bei der Bank konnte er diese Finanzlücken kurzfristig überbrücken. Doch die Bank forderte dafür Zinsen in zweistelliger Höhe. Trotz voller Auftragsbücher musste der erfahrene Selbstständige daraufhin vor vier Jahren Unternehmensinsolvenz anmelden.
Sein privater Hausbau geriet dadurch ins Stocken. Er konnte die Handwerker nicht mehr bezahlen, den Kredit aufs Haus nicht mehr tilgen. Immer mehr Forderungen – auch aus der Firma - belasteten ihn privat. Er musste das Haus verkaufen und nach der Firmenpleite folgt nun 2021 die Privatinsolvenz.
Dirk Beyer hat in dieser angespannten Situation eine gute Nachricht für Herrn Konrad. Seit Januar 2021 gilt das neue Insolvenzrecht und nun ist es möglich, bereits nach drei Jahren eine Schuldenbefreiung zu erhalten. Bisher dauerte das Verfahren sechs Jahre.
Nach Schätzungen sind – auch in Folge der Corona-Pandemie – zwei Millionen Soloselbstständige und Freiberufler in Deutschland von Überschuldung bedroht. „Viele Existenzen sind finanziell prekär aufgestellt. Jetzt drohen auch Menschen in Verschuldung zu geraten, die es vorher niemals für möglich gehalten hätten“, so Dirk Beyer. „Die Zahl unserer Klienten steigt stetig.“ Im Jahr 2019 hatten die Berater in Rochlitz und Burgstädt zusammen 243 Schuldenberatungsfälle, 2020 waren es 20 Fälle mehr. Doch insgesamt werden die Beratungsfälle arbeitsintensiver, da es sich bei immer mehr Fällen um eine höhere Anzahl von Schuldverhältnissen handelt.
Die Gesamtschuldenhöhe der erfassten Schuldner betrug 2020 rund 5,2 Million Euro, durchschnittlich 21.000 Euro pro Schuldner. Hauptursache für die Überschuldung war längerfristiges Niedrigeinkommen, Arbeitslosigkeit, Trennung oder Tod des Partners sowie Krankheit oder Sucht.
Kontakt zur Schuldner- und Insolvenzberatung
Die Schuldnerberater des Diakonischen Werkes Rochlitz helfen bei der Aufstellung eines Haushaltsplans, bei der Schuldenregulierung und bei der Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Die Beratung ist kostenfrei. Menschen, die Schulden haben und deshalb die laufenden Kosten wie Miete und Strom nicht mehr zahlen können, sollten einen Termin vereinbaren:
Haus der Diakonie, Dirk Beyer, Bismarckstraße 39, 09306 Rochlitz, Tel. 03737 / 4931-20
Diakonie-Beratungszentrum, Janet Viehweger, Kirchplatz 2, 09217 Burgstädt, Tel. 03724 / 666939-8
* Name von der Redaktion geändert